Nun macht der Ruf nach mehr Überwachung auch vor Gevelsberg keinen Halt. Es geht dabei nicht um die derzeit beliebte Online-Überwachung durch die unsägliche Vorratsdatenspeicherung, sondern um Offline-Überwachung des öffentlichen Raumes.
So soll nun geprüft werden, ob Überwachungskameras vor der Stadtbücherei angebracht werden können.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass diese Prüfung negativ ausfallen wird. Jüngst hat der Europäische Gerichtshof für strengere Vorschriften bei Kameras auf privatem Gelände geurteilt, so dass sicher auch der ein oder andere Gevelsberger seine Technik abschrauben musste. Zu Recht.
Ähnlich strenge Vorschriften gelten auch für die Bespitzelung des Bürgers im öffentlichen Raum. Es ist vom „Kampf gegen Vandalen“ zu lesen, obwohl kein Stein geflogen und kein Denkmal beschmutzt worden ist. Auch der angebliche Handel mit „harten Drogen“ wurde schon ins Gespräch gebracht. Er könnte als ausreichender Grund für die Installation herangezogen werden. Es findet sich des Morgens jedoch lediglich ein Häufchen Müll auf dem Weg zur Bücherei.
Kommen da bei den Gevelsbergern keine Erinnerungen an die Kirmestage auf? Zu dieser Zeit erstickt die Gevelsberger Innenstadt jedes Jahr in Pommestüten, Pappschachteln und zerbrochenen Flaschen. Dabei handelt es sich dann aber um ein geschätztes Volksfest und nicht um ein Treffen der Nachkommen des germanischen Volkes der Vandalen.
Nein, von Vandalismus kann nicht die Rede sein, wenn vor allem Jugendliche sich ihre eigenen Freiräume suchen. Dabei geht es oft auch um Zufluchtsräume, für die die Flaniermeile Mittelstraße oder die örtliche Kneipe kein Ersatz sind. Es ist deshalb eine nette Geste, wenn die Stadtverwaltung für eine bessere Beleuchtung des beliebten Treffpunktes sorgt.
Die neue Beleuchtung sollte die Menschen aber vertreiben. Das tut sie genau so wenig, wie es die Überwachungskameras tun würden. Sie stellen jedoch jeden Bürger unter Generalverdacht. Sie sind Überwachungsinfrastruktur, an die sich unsere Bevölkerung langsam gewöhnt. Sie produzieren Daten, die nicht erhoben werden sollten und zum Missbrauch einladen.
Vor allem aber täuschen sie eine sinnvolle Maßnahme vor, die ausbleibt.
Sinnvolle Maßnahmen wären: der Einsatz für mehr gut bezahlte Polizisten, der Einsatz für die kontrollierte Abgabe von Cannabis, der Ausbau der aufsuchenden Jugendarbeit, die Schaffung von autonomen Jugendzentren, die als selbstgestaltete Freiräume dienen können, der Kampf gegen Obdachlosigkeit und vor allem die Unterstützung der Familien, in denen ein rücksichtsvolles Verhalten vorgelebt werden kann.
Gevelsberg ist in diesen Belangen schon auf einem guten Weg, falls die Stadtverwaltung aber auf Beschluss des Rates doch lieber in Überwachungstechnik investieren möchte, schlage ich hier ein paar weitere geeignete Standorte für Kameras vor: Vendômer Platz, VHS, Fußweg Commerzbank/Neustraße, Stadtgarten, Ennepebogen, alle Gevelsberger Spielplätze.
Chris J. Demmer
Hallo Herr Demmer,
ich bin doch sehr verdutzt über Ihre Betrachtungsweise. Stehen Sie etwa immer mit dabei, wenn es da richtig zur Sache geht? Um es einmal klarzustellen: Ich habe nichts gegen Jugendliche und das sich diese irgendwo treffen müssen, steht auch außer Frage, dazu später mal mehr. Daher verbietet sich mir schon alleine deswegen die grauenhafte deutsche Kleinkariertheit, weil ich selbst mal Jugendlicher war und das eine oder andere Bier vertilgt habe. Jetzt kommt das große ABER: Ich wusste mich zu damaliger Zeit noch zu benehmen und hatte RESPEKT vor fremden Eigentum und ich habe RÜCKSICHT auf meine Mitmenschen genommen. Das ist der himmelweite Unterschied, der den dort Anwesenden völlig abgeht. Zum einen trauen sich viele nicht mehr durch den schmalen Weg von der Wittener Straße kommend in die Goethestraße (den Parallelweg an der Commerzbank soll Ihrer Meinung aber videoüberwacht werden), zweitens ist dort die Einrichtung der AWO für betreutes Wohnen der Senioren, die dem Lärm, den Scherben usw. ausgesetzt sind und drittens die Anwohner, die sich gestört fühlen. Und wenn diese Kleingeister nicht noch die Pflanzkübel auf das Vordach geworfen hätten, käme man gar nicht auf die Idee einer -abschreckenden- Videoüberwachung. Daher verstehe ich Ihre Grundthese auch nicht. Wenn Sie heute in die neuen S-Bahn-Züge oder in die Privatbahnen steigen, sind die Züge videoüberwacht. Warum? Aus dem Grunde, den ich weiter oben schon geschildert habe, die Beschmierungen, das Ritzen der Fensterscheiben und andere Zerstörungen haben Überhand genommen. Wie würden Sie denn reagieren? Immer weiter dulden? Den Fahrgästen ein Sch….gefühl vermitteln, die Ihre Züge benutzen? Da bin ich ganz klar anderer Meinung. Ich weiß, dass in den von mir benutzten Zügen Videokameras hängen. Das tangiert mich solange nicht, so lange ich mich nicht den Zügen daneben benehme. Erst bei dem Tatbestand der Sachbeschädigung würden mir diese Bilder zum Verhängnis. Oder wollen Sie lieber diese Zustände:
http://www.derwesten.de/staedte/essen/sonderzug-lokfuehrer-berichtet-von-demolierten-waggons-id10324727.html
Was da hirnrissige Schwachmaten angerichtet haben, zahlen nicht die Täter, sondern die Allgemeinheit.
Noch einmal zum Thema “Gevelsberger Jugend”: Zugegbenerweise löst weder eine Videoüberwachung noch die Polizei oder sonstwer das Problem, dass durch Einsparungen im Jugendetat, ein falsch platziertes Jugendzentrum und andere Defizite die Problematik. Mir wäre auch lieber, wenn die Stadt ein Jugendcafé (zum Beispiel zentral am Ennepebogen) bauen würde, wo sich die Gruppen treffen können und auch mal “unter Aufsicht aber ohne Zeigefinger” das eine oder andere Bier zum teenagerfreundlichen Preis konsumuiert werden kann. Gepaart mit Freizeiteinrichtungen wie Billard, Kicker, Klönecken und andere Angebote würde das mehr bewirken, als Ordnungsmaßnahmen.