Demo gegen Polizeigesetz in Dortmund
Am 6.10.2018 waren die Piraten des Ennepe-Ruhr-Kreises gemeinsam mit vielen anderen Menschen in Dortmund bei der Demo gegen das neue Polizeigesetz in NRW. Die Landesregierung plant eine massive Verschärfung des Polizeigesetzes, die ohne große Diskussion verabschiedet werden soll. Das neue Polizeigesetz hebelt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unschuldsvermutung und Gewaltenteilung aus.
Jeder kann verdächtigt werden
Es ermöglicht der Polizei, Menschen auch ohne konkreten Verdacht anzuhalten und zu durchsuchen, bis zu einen Monat in Präventivgewahrsam zu nehmen, oder mit Hausarrest und Kontaktverboten zu belegen. Sie soll Computer und Smartphones hacken dürfen, um Messenger wie WhatsApp mitzulesen – nicht nur von vermeintlich verdächtigen Personen, sondern auch von Personen aus deren sozialem Umfeld oder Menschen, die wie zum Beispiel Fußballfans, Gewerkschafter, Antifaschisten oder Migranten zu nach Ansicht der Polizei besonders gefährlichen Gruppen gehören. Zudem wird die Videoüberwachung des öffentlichen Raums ausgeweitet. Kern des neuen Polizeigesetzes ist die Einführung des Rechtsbegriffes der »drohenden Gefahr«, der die Polizeitätigkeit von einer konkreten Gefahr in den Bereich der bloßen Vermutung einer Gefahr vorverlagert.
Hier der Redebeitrag unseres Kreisvorsitzenden Stefan Borggraefe:
Hallo Dortmund!
Zunächst einmal solidarische Grüße an die zeitgleich Demonstrierenden am Hambacher Wald und auf der Seebrücke-Demo in Bochum. Genauso wie der Protest gegen das neue Polizeigesetz NRW sind das wichtige Anliegen, die wir als Piratenpartei unterstützen.
Dann möchte ich mich, das ist mir ein Bedürfnis, gegen Antisemitismus und für das Existenzrecht Israels aussprechen, auch wegen der besonderen Zusammensetzung dieser Demonstration heute.
Ich grüße auch die Polizeibeamten, die heute hier in Dortmund auf unsere Demo aufpassen, damit wir unser Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wahrnehmen können. Danke dafür! Diese Demo richtet sich nicht gegen Euch, sondern gegen eine Landesregierung, die ein unsinniges Gesetz erlassen will.
Neue Gesetzesvorhaben werden oftmals mit klangvollen Namen versehen, damit sie der Bevölkerung schmackhaft gemacht werden können. Auch das Gesetz gegen das wir heute protestieren bildet dabei keine Ausnahme. Es nennt sich offiziell „Gesetz zur Stärkung der Sicherheit in Nordrhein-Westfalen“. Was für ein Hohn!
Nehmen wir uns mal den im Gesetz vorgesehenen Staatstrojaner vor. Von den Befürworter gerne verschleiernd auch als Quellen-TKÜ bezeichnet. Hierbei geht es darum, dass die Polizei NRW die Möglichkeit erhalten soll, staatliche Schadsoftware auf unsere IT-Geräte zu installieren. Also auf unsere Smartphones, Notebooks, Tablets aber inzwischen muss man wohl auch beispielsweise Fernseher und Autos dazu zählen. Damit soll direkt auf den Geräten der Inhalt unserer Kommunikation mitgeschnitten werden. Die Verschlüsselung der Kommunikation bei der Übertragung über das Internet nützt dann nichts mehr, weil zur Überwachung dann nicht mehr die Internetverbindung überwacht wird, sondern das Gerät selbst. Überwacht werden dabei nicht nur Verdächtige, sondern es ist in der Gesetzesbegründung von einer präventiv-polizeilichen Maßnahme die Rede. Es geht also um vorbeugende gezielte Totalüberwachung durch die Polizei NRW. Es liegt in der Natur der Sache, dass dabei nicht nur die Zielperson überwacht wird, sondern auch jede Person, die mit dieser Zielperson kommuniziert. Das können völlig unbeteiligte Personen wie Du oder ich sein.
Damit der Staat in unsere Geräte eindringen kann, muss er, genauso wie andere Schadsoftware-Verbreiter, Sicherheitslücken ausnutzen. Das Problem: wenn die Sicherheitslücken für das Einschleusen eines Staatstrojaners der Polizei offen stehen, dann stehen sie auch für alle anderen genauso offen! Auch für feindliche Geheimdienste, die Industriespionage betreiben oder unserer Demokratie schaden wollen. Oder für Verbrecher, die dadurch beispielsweise Software auf unsere Geräte schleusen können, um von uns Geld erpressen. Moment mal? Hieß das Gesetz nicht „Gesetz zur Stärkung der Sicherheit“? Sollte der Staat dann nicht Sicherheitslücken in Software beim Hersteller melden, damit dieser sie schließen kann um unsere Sicherheit zu stärken? Genau das! Stattdessen wird das in Zukunft nicht mehr geschehen, sondern der Staat wird Sicherheitslücken wie ein Waffenarsenal zur Durchlöcherung unserer IT-Geräte horten.
Unsere Sicherheit wird nicht gestärkt, sondern geschwächt, das Vertrauen der Menschen und Unternehmen in IT-Systeme und den Staat erschüttert.
„Ach, das ist doch bestimmt nur eine theoretische Gefahr!“, werden einige vielleicht entgegnen.
Nein, leider passiert das tatsächlich. Erinnert Ihr Euch noch an Januar 2017? An die Schadsoftware WannaCry, die Windows-PCs infiziert hat und für die Freigabe des PCs Geld erpresst hat? Am sichtbarsten für alle wurden die Auswirkungen damals, weil die Anzeigetafeln der Deutschen Bahn nicht mehr funktionierten. Aber es wurden auch Computer in mehreren britischen Krankenhäusern lahmgelegt, bei den Auto-Konzernen Renault und Nissan standen zeitweise die Bänder still, in Russland war der Katastrophenschutz betroffen.
Ermöglicht wurde WannaCry durch eine Sicherheitslücke, die dem amerikanischen Geheimdienst NSA bereits seit fünf Jahren bekannt war! WannaCry war möglich, weil ein Staat Sicherheitslücken nicht meldete, sondern lieber dazu nutzte, uns heimlich auszuschnüffeln. In einer Welt, in der sämtliche Infrastruktur und Wirtschaftsprozesse hochgradig von einer zuverlässigen IT abhängen, geht der Staat damit nicht zu verantwortende Risiken ein.
Brad Smith, Rechtsvorstand von Microsoft, warnte nach WannaCry: „Die Regierungen der Welt sollten WannaCry als Weckruf verstehen! Wir brauchen Regierungen, die sich des Schadens für Zivilpersonen bewusst sind, der aus dem Anhäufen und Ausnutzen solcher Software-Sicherheitsprobleme entsteht.“
Offensichtlich hat die Landesregierung von Ministerpräsident Laschet genau nichts daraus gelernt und nichts verstanden! Statt Sicherheit zu schaffen, setzt sie uns mit dem Staatstrojaner für die Polizei NRW weiteren unkalkulierbaren Risiken aus.
Die Piratenpartei lehnt daher Staatstrojaner generell ab, genauso wie weitere Maßnahmen in dem Gesetz, die mehr Überwachung der Bevölkerung bedeuten. Dazu gehört auch die polizeiliche Videobeobachtung, die zwar keinen nachgewiesenen Nutzen hat, die aber dennoch weiter ausgeweitet werden soll. Konservative Politiker veranstalten so ein sinnloses Sicherheitstheater ja gerne, um „etwas für die gefühlte Sicherheit zu tun“. Aber selbst für die gefühlte Sicherheit wäre es besser, Polizistinnen und Polizisten nicht für den Dienst vor Überwachungsmonitoren zu binden, sondern sie sichtbar in der Öffentlichkeit als Freund und Helfer einzusetzen.
Ich kann nicht auf alle Punkte des Gesetzes eingehen, die zu kritisieren wären. Allein der Begriff „drohende Gefahr“ ist eine populistische Wortschöpfung, die Willkür Tür und Tor öffnet. So etwas passt nicht zu einem Rechtsstaat, sondern hat Züge eines Polizeistaates! Auch Polizistinnen und Polizisten werden verunsichert, wenn ihre Arbeit in Zukunft auf solche nicht klar definierten Begriffe fußen soll.
Um Polizei und Justiz zu entlasten sollten stattdessen besser Cannabis legalisiert werden. Verstöße gegen das Vermummungsverbot und die Teilnahme an Sitzblockaden sollten durch ein neues NRW-Versammlungsgesetz nur noch als Ordnungswidrigkeiten statt als Straftaten gewertet werden. Dann hätte die Polizei deutlich mehr Ressourcen frei für die Verfolgung und Prävention von Verbrechen, die tatsächlich ernsthafte Folgen für die Menschen im Land haben. Das würde im Gegensatz zum neuen Polizeigesetz tatsächlich die Sicherheit stärken!
Der anhaltende Protest der Zivilgesellschaft gegen das neue Polizeigesetz hat bereits dazu geführt, dass es überarbeitet wird und nun wohl erst im November ins Plenum des Landtags kommen wird. Das ist sicherlich ein Erfolg unserer Bewegung! Dieses Gesetz ist aber nicht durch kleine Änderungen zu reparieren, sondern geht insgesamt in die falsche Richtung. Wer tatsächlich die Sicherheit stärken will, muss es in Gänze ablehnen. Da dies bei der derzeitigen Zusammensetzung des Landtags nicht zu erwarten ist, wird sich die Piratenpartei ganz genau ansehen, ob ein Gang vors Verfassungsgericht Erfolg versprechend erscheint. Vielleicht muss die Justiz genauso wie gestern beim Hambacher Wald auch hier letztlich ein rettendes Machtwort sprechen!
Wir werden jedenfalls nicht nachlassen und weiter für Freiheit und Bürgerrechte kämpfen! Weg mit diesem Polizeigesetz!
Demo gegen Polizeigesetz in Dortmund
Am 6.10.2018 waren die Piraten des Ennepe-Ruhr-Kreises gemeinsam mit vielen anderen Menschen in Dortmund bei der Demo gegen das neue Polizeigesetz in NRW. Die Landesregierung plant eine massive Verschärfung des Polizeigesetzes, die ohne große Diskussion verabschiedet werden soll. Das neue Polizeigesetz hebelt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien wie die Unschuldsvermutung und Gewaltenteilung aus.
Jeder kann verdächtigt werden
Es ermöglicht der Polizei, Menschen auch ohne konkreten Verdacht anzuhalten und zu durchsuchen, bis zu einen Monat in Präventivgewahrsam zu nehmen, oder mit Hausarrest und Kontaktverboten zu belegen. Sie soll Computer und Smartphones hacken dürfen, um Messenger wie WhatsApp mitzulesen – nicht nur von vermeintlich verdächtigen Personen, sondern auch von Personen aus deren sozialem Umfeld oder Menschen, die wie zum Beispiel Fußballfans, Gewerkschafter, Antifaschisten oder Migranten zu nach Ansicht der Polizei besonders gefährlichen Gruppen gehören. Zudem wird die Videoüberwachung des öffentlichen Raums ausgeweitet. Kern des neuen Polizeigesetzes ist die Einführung des Rechtsbegriffes der »drohenden Gefahr«, der die Polizeitätigkeit von einer konkreten Gefahr in den Bereich der bloßen Vermutung einer Gefahr vorverlagert.
Hier der Redebeitrag unseres Kreisvorsitzenden Stefan Borggraefe: